handicapped people


Über den Workshop und die Arbeit mit betreuten Menschen

"Den Käfig der Vögel betreten,
ohne sie zum singen zu bringen."

Chuang-tse


"Ich bin hier, und es gibt nichts zu sagen.
Wenn unter Ihnen die sind, die irgendwo hingelangen möchten,
sollen sie gehen, jederzeit.
Was wir brauchen ist Stille;
aber was die Stille will ist, daß ich weiterrede."

aus: "Silence" v. John Cage

 

Menschen, gleich welcher Coleur, anvertraut zu bekommen,verpflichtet in 2 - facher Hinsicht: Zum Einen, die Ausrichtung und Frage danach, wo diese Menschen in Ihrem aktuellen Da - Sein und Leben sind; was sie womöglich brauchen um sich mit Ihren Anlagen und Möglichkeiten weiter zu entfalten, zu sich zu kommen.

Zum Anderen die Anforderung zu mir hin, in meiner Arbeit und Inter- esse echt zu sein, die Arbeit zu machen, wie sie unabhängig von Anforderungen auch getan würde, um so, durch eigenes Vor - bilden, Situationen, Raum und Ressonanz entstehen zu lassen, in und an dem die anvertrauten Menschen Ihr Sein aus - bilden, konkretisieren können.

Ein Ab - sehen, eine Absicht, die zunächst sich selbst (des Pädagogen) zum Zentrum hat, um dann im Austausch geben und nehmen zu können. Teil - habe, Zeugen, Ge - zeigt werden, Zeigen.

Zeuge sein für den Prozess sich entwickelnder Momentaufnahmen, für musikalische Grundstrukturen, menschliche Aktualisierungsmuster, die durch die Hände des Anleitenden fließend, Fixierung erfahren, betrachtet und nochmals erlebt werden können. Schließlich zu bewußten Gestalten werden, Gestaltung erfahren. Musikalische Matrizen und Bauwerk spontanen Spiels, als Spiegel und Brücke zu Unerklärtem, Fragwürdigem, im Schweigen Sprechenden, auf der Suche nach Bodenständigkeit, Halt und Annäherung.

Anklang somit an sich selbst, an die unbeschädigten Räume "beschädigten" Lebens. Da wo Ungewohntes Fragen aufwerfen kann und die Antwort eine neue andere Erfahrung mit sich bringt, Leben und "lebendig sein" zeugt.

"Spiel mit im Spiel"! Nicht: "Ich mache Musik...." eher vielleicht, "Ich spiele mit Zustandegekommenem, mit Zuständen von Klängen und Rhythmen als nach Außen verlegte Artikulation von Innenwelten, vormals "stummen" Sprachen. Folglich: "Wir spielen mit der Musik...." was heißen könnte: Wir spielen unser Sein, je nach Zu - stand, hin zur Öffnung.

So treten Geschmack und Ansicht zunächst in den Hintergrund, wenn durch eigenes Vermögen produzierte Rhythmen, Töne, Geräusche und Klänge erfahrbar werden, als Ergebnis von anfangs scheinbar willkürlicherAktivität. Und dann kann da Kommunikation entstehen, wo wenigstens 2 Akteure aufeinanderstoßen, dort wo sich deren Impulse zu reiben beginnen, wechselseitigen Zuspruch oder Ablehnung erfahren.

Spontane, unreflektierte musikalische Aktion, wozu auch die Bewegung im Raum gehört, das fließende Übergehen von der Ruhelosigkeit in den Laut und von der Bewegung in das Verstummen, die Pause, bilden Äußerungseinheiten die konkret werden wollen, wiedererlebt werden wollen, die verstanden werden wollen.

"Ticks", endloße Sprünge, unglaubliche Ausdauer, fast schon Hingabe an die Sprache der Bewegung und repetitiver Rhythmen, die die Welt des Verstummten nach Außen hin überbrückt, Zeichen wird, Code eines aus unserer Sicht scheinbar stehen gebliebenen Seins.

Es scheint als gäbe es in den Gruppe keine Reflexion, nur pure Aktion, pure Energie, ungebremst, ohne Grenzen, ohne Mitgefühl vielleicht für sich selbst. "Selbst" welches in der Fragwürdigkeit verschütteter Gefühle steckenblieb, verstummte?!

Kommunikation ereignet sich im wörtlichen Sinne sehr weiträumig, raumgreifend. Ob mit oder ohne Impuls durch von mir gespielte Klänge und Rhythmen, ..... die Bewegungsdynamik ist sehr groß und schließt den ganzen Raum mit ein.

Kontaktaufnahme.

Erst einmal werde ich überspielt, es wird klargestellt, was hier Sache ist, wie hier"Leben geht".

Ich sitze am Klavier und spiele rhythmisch betonte, eingängie Strukturen. Ein Junge "landet" auf meinem Schoß, vergreift sich kraftvoll und unablässig heftig in meine Finger, schließt mich in seine Welt, ergreift mich, zwingt mich, fordert mich zum handeln. Handlung im sprichwörtlichen Sinne.

 

"Wer nicht handelt wird behandelt."

Keine Zeit zur Betrachtung, zum Schluß. Kreativität ist gefragt, Umkehr und Neusicht von alten Gewohnheiten. Wo liegt die Norm? Selbstverständliches wird zum Fragwürdigen.

Vielleicht kehrt manchmal Stille ein, die keine Sprachloßigkeit ist, eher ein Innehalten, das etwas anderes meint. Dort könnte Wiedererkennen beginnen, Er - innerung, die Welt verschütteter Gefühle, der unzugänglich geglaubte Raum des Vergangenen.......

Hier beginnen wir miteinander zu Sprechen, in den stillen Momenten der Ahnung.

Zunächst ist Ihr Körper Klangkörper, Instrument genug sich ins Spiel zu bringen, Pfade der Mitteilung zu setzen.

Geräusch und Laut, Rhythmus und Klang, Form und Struktur, tragen in sich die Dynamik nach dem "Erkannt werden wollen", dem "Sich erkennen mittels eines Mediums". Unverstandenes ruft Fragen hervor, Unsicherheit, die eine Voraussetzung für Bewegung, für Weitergehen ist. Da wo Fragen sind, selbst dann, wenn diese so noch nicht genannt werden können, bilden sich Nischen an scheinbar undurchdringlichem Mauerwerk, Verweilplätze des Wachsens, die irgendwann einen winzigen Blick, einen Augenblick auf dahinter Liegendes freigeben.

Verweilplätze, kein Geschmak von Dauer. Da wird erfahrbar, was Leben im Grunde ist. Procedere, Fortschreiten, Veränderung mit der Hoffnung auf Ankommen.

Die Menschen bringen Alles was sie sind mit, leben und gestalten oft Unverstandenes und es liegt nur an der Haltung des Betrachters das Geschehen in sich beim scheinbar Beliebigen zu belassen, oder selbst handelnd mitzuwirken.

Kategorien im Prozess, .... fehl am Platz. Was zählt ist Handlung, auch da wo Vermeiden Handlung ist.

Ich halte es im Rahmen von aktivem Geschehen als therapeutischen Prozess, wenn es denn so genannt werden soll, zunächst nicht für angebracht die "passive" erlebnisorientierte Haltung in den Vordergrund zu stellen.

Vielmehr geht es mir in diesem Setting (therapeutisch orientiert) zuerst darum, die sogenannte künstlerische, kreativ-experimentelle Seite anzusprechen.

Das Experimentierfreudige, das Unvoreingenommene - nicht Wertende, das "reine" Tun ohne die Frage nach Zweck. Aktivität ohne Bedingung.

Dieses Grundbedürfniss angesprochen, impulsiert und setzt erst die Möglichkeit Schnebälle ins Rollen zu bringen, "warm" zu werden für das Erleben des Tuns, die Reflexion, das "aus sich heraustreten", in den sozialen Kreis.

Modellieren am Menschen mit Menschen, was vor allem heißt, sich selbst kennen zu lernen, sich selbst gespiegelt wiederzufinden im Anderen wodurch dieses Bauen mehr und mehr zum Austausch wird.

Grundsätzlich nähere ich mich jeder Gruppe mit einer offenen Haltung an, sowohl was Innhaltliches anbelangt, also die Musik mit der gespielt wird, als auch was die zwischenmenschliche Dynamik betrifft, die hierbei entsteht.

d.h. Ich bringe keine Vorgaben und Anforderungen an die Menschen mit, außer die an mich gestellte Aufgabe, "mich selbst einzustellen", auf Mitgebrachtes zu reagieren, im Fluß zu bleiben, meine Fixierungen im Spiegelbild des Geschehens zu lösen.

Ich gehe bei jeder Aktivität menschlichen Lebens davon aus, daß sie begleitet wird von einer Frage(n), die eine Sinnhaftigkeit, Gestaltwerdung - und Gestaltwahrnehmung betreffend, erwartet.

Die "Parameter":

Rhythmus, etwas allgemeiner "Impuls", ist ein Phänomen das Musikübergreifend in vielen Lebensbereichen wirksam ist und vor dem Zustandekommen von Klang existiert. Oder auch anders: Welle also Klang die Rhythmus per se ist.

 

Der Rhythmus, dessen Wesen sich als eine Abwechslung von Chocs definieren ließe, ist musikalisch ein Wechsel von Klang und Schweigen; er ist auch der Grundimpuls überhaupt; kein Leben, keine Kunst ohne Rhythmus. Das Fehlen eines oder mehrerer anderer Elemente wäre bei einem auf seinen einfachsten physischen Ausdruck reduzierten organischen Lebens allenfalls vorstellbar, nicht aber das Fehlen des Rhythmus, des vitalen Impulses. So scheint auch in der Musik der Rhythmus bis zu einem gewissen Grad unabhängig von den übrigen Elementen existieren zu können (etwa der Rhythmus einer ohne Begleitung mehrfach angeschlagenen Trommel, eines Holzes oder eines Gongs). Die rhythmische Sprache ist dann Ausdruck der Tiefenrhythmen, die aus dem vitalen Dynamismus aufsteigen. Doch andererseits ist der Rhythmus auch Ausdruck und Manifestation der Dauer; bildet er also einerseits die Grundvoraussetzung der Existenz des Menschen und des Kunstwerks, so vereinigt und verbindet er durch sein Wesen zugleich die persönliche und relative Zeit des kreativen Künstlers und der von ihm hervorgebrachten Bilder mit der kosmischen Dauer: der absoluten Zeit Es ist offensichtlich, daß eine intelektuelle Konstruktion, eine wilikürliche Abfolge rhythmischer Zellen nichts mehr mit dem eigentlichen Sinn des Rhythmus zu tun hat, der vor allem eine grundlegende physische Propulsion ist.
Giacinto Scelsi

 

Impuls ist Ursprung von rhythmischem und klanglichem Geschehen! Andersherum kann gesagt werden, daß überall da, wo Impulse wirksam sind, musikalische Vorgänge passieren. Das wußten schon Menschen seit Alters her und haben auch je nach Zeiterscheinung und Zeitgeist, Bewußtsein und Menschensicht, versucht mit musikalischen Prozessen (beschädigtes) Leben im allgemeinen zu stimmulieren, zu balancieren, zu heilen.

Oft im Wiederspruch von Ansicht, Anspruch und Verwendbarkeit von musikalischem Material, gingen und gehen die Ansichten auseinander, was nun dem Menschen zu - und was Ihm abträglich sei.

Dabei ist zu sagen, daß Musik, instrumentalisiert als Medium, eine Möglichkeit bietet, bestimmte Ziele, z.B. das der "Heilung" anzusteuern. Genauso aber ist musikalisches Geschehen im obigen Sinne zunächst aus sich heraus existent. Töne und Rhythmen werden zwar durch den Menschen gespielt (als Musik), bedürfen Ihrer Natur nach aber zunächst nicht dessen Reaktion, weiterer Interpretation oder Erklärung. Wie Musik empfunden wird, ist möglicher Weise nicht in der Musik selbst begründet, sondern in der subjektiven folgenden Reaktion und Projektion auf musikalische Prozesse. Es ist "Sache" des rezipierenden Bewußtseins, wie Musik im Nachhinein, nach der Erfahrung, bewertet wird. Gut, schön, harmonisch, disharmonisch, heilsam, komplex, einfach, häßlich, Lärm, Geräusch, Kakophonie, Sphärenmusik........

Diese Atribute ließen sich endloß und weiter differenziert fortsetzen und sagten so immer mehr über den Hörer selbst und über seinen "Zeitgeist", als über das Phänomen Rhythmus, Klang, Musik an sich aus.

Manch Einer erkennt dort Struktur, also formale Prozesse, wo ein Anderer nur noch den Kopf schüttelt. "Zufälligkeiten" in der Improvisation sind dem Einen ein Zeichen von defizitärer Musikpraxis, dem Anderen Anzeichen für eine hohe Kultur der "Kommunikation nach Innen" (als Solist) oder der Kommunikation mit Anderen. ( in der Gruppe).

Es gibt Musikkulturen z.B., die nahezu ohne fixiertes (Noten) material seit Jahrtausenden bestehen, wo Wesentliches mündlich und über die Spielpraxis weitergegeben wird und andere Kulturen, wie die der europäischen klassischen Musik, die vorwiegend nur über exakte Notation weitergegeben werden kann und dadurch Ihren Bestand hat.

Tatsachen ohne Bewertungen.

In einer pädagogischen Situation ist zunächst davon auszugehen, daß Vorlieben die eigene Praxis, den Selbstversuch sozusagen, unterminieren. Dies um so mehr als sich ein Mensch tief im Feld von Kreationen befinden, die durch die Kreativität anderer, entstanden sind. Zunächst wird meistens das eigene Vermögen als defizitär, nicht würdig, als unlustvoll erlebt.

Vielleicht liegt dies an der fehleingeschätzten Situation der "Normalen", daß dies was Einem gefällt, noch lange nicht das ist, was Einer auch kann. Also dem zu großem Abstand von Konsumempfinden und eigenem Vermögen, Tun, oder Hinzu - Tun.

Da ein Ubermaß an Konsum zur Zeit ein wesentliches Merkmal von Zeitgeist ist, fällt die Verwechslung leicht und manch einer tief, wenn es um die Aktivierung eigener Motorik, eigener Kreativität geht.

Wenn die Arbeit auf eine Gruppensitluation hin ausgelegt ist, kann die Stimmulierung von Einzelnen, die Ansprache des individuellen "Materials" nicht in dem Umfang passieren, wie dies in Einzel - oder Kleingruppenarbeit statffinden kann.

Dennoch ist gerade diese Vorgabe eine Herausforderung an die Kreativität aller Beteiligten, möglichst "im Fluß" zu bleiben, also sich dem Vermögen nach Veränderung (von An - Ab und Zusichten) zu öffnen, sich im Prozess des Geschehens zu wandeln.

Angefangen von einfachen Ubungen des konkreten "Nachspielens", über Variablen der rhythmischen Kommunikation, bis hin zu komplexeren Grupenkompositionen aus Selbst -(er)-gefundenem Material, liegt die Spannbreite des Zusammen-Spiels. Dabei wird durch die bewußte spontane Umgestaltung von wiedererkennbarem klanglich / rhythmischen Material eine Situation geschaffen, die sofort zum reagieren veranlassen soll.

"Haltegriffe" der Orientierung, die schnell zur Gewohnheit werden, rutschen so weg und der Spieler findet sich in einer Situation, wo er aus eigener Spontanität und Kreativität neue Wege neue Kommunnikationsmöglichkeiten finden kann.

Diese neu eingeschlagenen, zunächst eher unbekannten Pfade, dienen nun als nächste Basis von der aus ein Stück weiter gegangen werden kann, welche weiter vertieft und und somit bewußter wird.

Musikalische Puzzles sammeln sich an, Klänge und Rhythmen mit denen "Umgang" möglich ist, die man umkreisen kann, die man beleben oder liegen lassen kann. "Entscheidung" bahnt sich einen kleinen Weg. Die Welt der "All Einheit" wird sich selbst bewußt und teilt sich in die unweigerliche Entwicklung des Supjekts >< Objekts. Man steht Etwas gegenüber und gewinnt so an Handlungsraum. Das gab es vorher noch nicht.

Imputse zu setzen ist notwendig um Basis zu geben, Unsicherheiten abzubauen, jemanden aus seinem Schlupfwinkel hervorzulocken. Wenn die Art des Findens von Rhythmen und Klängen erst einmal verstanden wurde, kann somit einem immer größer werdenden Entscheidungsraum eigenes musikalisches Material erfunden werden und als Teil einer Gruppenkomposition zur Sprache kommen.

Solo - Duo, eins zu drei, zwei zu fünf u.s.w. bieten Möglickeiten "Subgruppen" quasi die einzelnen Orchesterfamilein zu bilden und eine Kommunikation untereinander herzustellen.

Der Austausch von Improvisation, Komposition und der Rolle des Dirigierens, der Anweisung, bietet die Möglichkeit in verschiedene Rollen zu schlüpfen, sich auszuprobieren, wo gewöhnlich immer Andere für einen stehen, handeln, denken und sogar fühlen.

Eine neue Rolle im Leben wurde gefunden und wird gestaltet.......

Es klingt die Aussicht auf Leben an, auf die Spielbarkeit des Seins, wo vordem Verschüttetes in zäh quälendem Schweigen lag.
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